Fachtag diskutierte über Anschläge von Halle und Hanau und die Folgen für die Beratungs- und Präventionsarbeit
Rund 110 Fachleute kamen Ende voriger Woche auf Einladung unseres Demokratiezentrums Hessen in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) zu einer zweitägigen Fachtagung in Butzbach zusammen. Titel: „Lessons learnt? Die rechtsterroristischen Anschläge von Halle und Hanau: Bewältigung durch Zivilgesellschaft und Politik“.
Dabei wurden erste Zwischenergebnisse einer gleichnamigen, seit 2021 gemeinsam durchgeführten Forschungsstudie des Deutschen Jugendinstituts und des Demokratiezentrums Hessen vorgestellt, in der unterschiedliche Sichtweisen auf die lokalen und überregionalen Auswirkungen der Anschläge einerseits von Halle im Oktober 2019 und andererseits von Hanau im Februar 2020 erhoben werden. Mittels verschiedener Interviews vor Ort untersucht die Studie erstmals und als gemeinsames Projekt die Folgen, die angestoßenen Entwicklungen und notwendige Bedarfe in den beiden Kommunen nach den Anschlägen. Herausgefunden werden soll, wie Zivilgesellschaft, Politik und Fachstellen vor Ort nach solchen Ereignissen zusammenarbeiteten. Welche Hilfe wurde geleistet oder versäumt? Wie gestaltete sich die Koordinierung verschiedener Abläufe der unterschiedlichen Stellen und Akteure? Und welche Schlüsse lassen sich für die Präventionsarbeit in Zukunft daraus ziehen, um bessere Unterstützung leisten zu können?
Die vorwiegend aus Hessen, aber auch aus Halle/Sachsen-Anhalt kommenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Butzbacher Tagung diskutierten in Form von Vorträgen, Diskussionsrunden, Workshops und Gesprächen vornehmlich die Frage, was aus Anschlägen wie in Halle und Hanau dringend gelernt werden muss. Außerdem fungierte die Tagung als Vernetzungstreffen des Beratungsnetzwerks Hessen und diente zum persönlichen, endlich wieder mal in Präsenz stattfindenden (Erfahrungs)Austausch der Netzwerkmitglieder.
Zu Beginn folgten am Donnerstagvormittag nach der Begrüßung durch Dr. Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen, und durch Dr. Björn Milbradt vom Deutsches Jugendinstitut zwei Grußworte von Thomas Heppener, Referatsleiter „Demokratieförderung“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Frank Schweitzer, Leiter des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums (HKE) im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport.
Dr. Björn Milbradt vom Deutschen Jugendinstitut und Dr. Eva Georg für das Demokratiezentrum Hessen stellten danach erste Aspekte und Thesen aus dem Forschungsprojekt zu den Anschlägen in Halle bzw. Hanau vor. Unter den Thesen bzw. Impuls-Überschriften „Überlastung“, „Leerstellen“, „Polarisierung“, „Rassismus und Solidarität“, „Schwierige Debatten zum Thema Rassismussensibilität“, „‘Lessons learnt’ in Stadtgesellschaft und Verwaltung/Kommunalpolitik?“ berichteten sie von den bisherigen Erfahrungen und Ergebnissen ihrer Studien in Halle und Hanau.
In Kleingruppen wurden anschließend einzelne Aspekte aus den beiden Input-Referaten vertiefend diskutiert, bevor sich eine Podiumsdiskussion mit der Frage beschäftigte „Worin können ‚lessons learnt‘ für andere Kommunen bestehen?“. Podiumsteilnehmer*innen waren Andreas Jäger (Stadt Hanau), Oliver Dainow (Jüdische Gemeinde Hanau, Landesverband der jüdischen Gemeinden Hessen), Liisa Pärssinen (hessische Opferberatungsstelle response), Ismet Tekin (Soligruppe Café Tekiez/Kiez-Döner, Halle) und Prof. Dr. Fabian Virchow (HS Düsseldorf). Die Moderation übernahm Pit von Bebenburg von der „Frankfurter Rundschau“.
Der Freitag stand dann im Zeichen intensiver, ausführlicher Workshoparbeit. Themen der sechs Arbeitsgruppen waren: „Der Anschlag in Hanau und die Folgen für die Jugendarbeit“, „Die ersten Tage nach der Tat – Lessons learnt der Kommunen“, „‘Morgen wird besser‘: Jüdisches zivilgesellschaftliches Engagement nach Bedrohungserfahrungen“, „Halle und Hanau – es betrifft uns alle: Solidarität mit Betroffenen von rechter Gewalt aus zivilgesellschaftlicher Perspektive“, „Strukturelle Veränderungen im Spannungsfeld von Intersektionalität, sekundärer Viktimisierung und Empowerment“ und „Counter Forensics – am Beispiel der Untersuchungen zum rechtsextremen Anschlag in Hanau“.
An die Workshops anknüpfend fand die Tagung mit einer Abschlussdiskussion „Lessons learnt für Kommunen, Politik & Zivilgesellschaft?“ ihr Ende. An ihr nahmen Lasse Schauder (Referent für politische Bildungsarbeit, Sara Nussbaum Zentrum, Kassel), Serpil Unvar (Mutter eines Hanauer Opfers und Gründerin der Bildungsinitiative Ferhat Unvar, Hanau), Ismet Tekin (Soligruppe Café Tekiez/Kiez-Döner, Halle), Charlotte Grimm (hessische Opferberatungsstelle response), Thorsten Hahnel (Arbeitsstelle Rechtsextremismus, Halle), Julian Brack (Forensis e.V.) und Günther Kugler (Jugendzentrum JuZ Kesselstadt, Hanau) teil.