Erster Jahresbericht von RIAS Hessen registriert 179 antisemitische Vorfälle seit Frühjahr 2022

25.8.2023

Mit 179 erfassten Meldungen von Antisemitismus hat in Hessen im vergangenen Jahr im Schnitt an jedem zweiten Tag ein antisemitischer Vorfall stattgefunden. Das geht aus dem gestern vorgestellten ersten Jahresbericht 2022 der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) hervor, die am Demokratiezentrum Hessen an der Uni Marburg angegliedert ist.

Die meisten Antisemitismus-Fälle wurden in Frankfurt und Kassel registriert. Dabei fiel vor allem die documenta ins Gewicht. Von den 52 in Kassel dokumentierten Fälle seien 38 im Rahmen der documenta erfasst worden, berichtete RIAS-Hessen-Projektleiterin Dr. Susanne Urban bei der Vorstellung in Kassel. Bei der Weltkunstausstellung im Sommer 2022 richteten sich Antisemitismusvorwürfe unter anderem gegen das indonesische Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa und diverse Kunstwerke. „In Kassel entstand durch die Werke und die Debatten auf der documenta fifteen eine Gelegenheitsstruktur für Antisemitismus“, erklärte die Historikerin.

Neben einem Fall von extremer Gewalt kam es Urban zufolge unter anderem in drei Fällen zu Angriffen und in zehn Fällen zu einer Bedrohung. Zudem seien zwölf gezielte Sachbeschädigungen erfasst worden. Dominant (71 Fälle) war ihr zufolge das sogenannte antisemitische Othering. „Damit werden Jüdinnen und Juden durch Handlungen, Worte und Bilder als fremd oder nicht zugehörig klassifiziert.“ Im Othering mischten sich verschiedene abwertende Stereotype. Beispielsweise werde “Du Jude” als Beleidigung und Abwertung von Menschen verwendet, besonders in Schulen oder im Sportumfeld.

Hauptorte antisemitischer Vorfälle seien die Straße mit 34 Vorfällen und Bildungseinrichtungen mit 29 Vorfällen. Bei den klar zu benennenden Hintergründen lägen antiisraelischer Aktivismus (24 Fälle) sowie verschwörungsideologische Motive (20) vor rechtsextremen Zuordnungen (15). „Bei 103 Fällen konnte der politisch-weltanschauliche Hintergrund nicht benannt werden“, so Urban.

Marco Siegmund von Bundesverband RIAS mit Sitz in Berlin sagte, Antisemitismus sei auch in Hessen Teil einer gesellschaftlichen Normalität, die sich nicht nur auf eine gesellschaftliche Gruppe zurückführen lasse. Dies werde bereits nach einem Jahr operativer Tätigkeit von RIAS Hessen deutlich. Dabei spiegelten die erfassten antisemitischen Vorfälle bisher nur einen Teil des alltäglichen und reellen Antisemitismus wider. Insgesamt gehe die Meldestelle von einer deutlich höheren Dunkelziffer antisemitischer Vorfälle im Bundesland aus.

„Judenhass beginnt nicht mit Straftaten, sondern mit Hass und Hetze und diese finden dort ihren Nährboden, wo Vorurteile, Unwissenheit und Antisemitische Stereotype zusammenfinden und von interessierten Dritten zu einem gesellschaftlichen Gift verschmolzen werden“, sagte der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker laut Mitteilung. Dies geschehe leider in zu vielen Köpfen, wie die bei der Stelle gemeldete Zahl von 179 Vorfällen für 2022 zeige.

Der Jahresbericht 2022 von RIAS Hessen ist auf der Website einsehbar (aus Gründen der Nachhaltigkeit verzichtet RIAS Hessen auf eine Druckversion)

>> https://rias-hessen.de/report/jahresbericht-rias-hessen/

Quellen: RIAS Hessen >> https://rias-hessen.de/, FAZ/dpa >> https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/meldestelle-179-antisemitische-vorfaelle-seit-fruehjahr-2022-19125076.html