Jahresbericht 2024

Rechtsextremismus in Hessen – Beratungsanfragen auf Rekordhoch

14.10.2025 Das „Beratungsnetzwerk Hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ verzeichnete im Jahr 2024 so viele Beratungsfälle wie noch nie seit seiner Gründung im Jahr 2007. Insgesamt gingen beim Netzwerk, das vom Demokratiezentrum Hessen an der Philipps-Universität Marburg koordiniert wird, 330 Beratungsanfragen ein – ein erneuter Höchststand.

In den gemeldeten Fällen ging es vor allem um rechtsextremistische, rassistische, antisemitische, queer- und andere demokratiefeindliche Vorfälle, bei denen Einzelpersonen, Institutionen oder Gruppen Unterstützung suchten. Die Zahl der begleitenden Bildungs- und Präventionsveranstaltungen (Workshops, Vorträge etc.) stieg auf 215, ebenfalls deutlich mehr als im Vorjahr (2023: 148).

Der Jahresbericht 2024, der jetzt vom Demokratiezentrum veröffentlicht wurde, dokumentiert diese Entwicklungen detailliert und liefert vertiefende Einblicke in Ursachen, regionale Besonderheiten, thematische Schwerpunkte sowie die Arbeit des Netzwerks in herausfordernden Zeiten.

Das Balkendiagramm zeigt die Entwicklung der Beratungsfälle und Bildungsangebote von 2015 bis 2024.

Im Jahr 2024 verzeichnete das Beratungsnetzwerk Hessen 330 Beratungsfälle. So viele wie nie zuvor innerhalb eines Jahres.

Krisen und Radikalisierung befeuern Beratungsbedarf

Das Demokratiezentrum Hessen führt den starken Anstieg der Fallzahlen unter anderem auf die Auswirkungen der anhaltenden und vielfältigen gesellschaftlichen Krisen zurück – darunter die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, Inflation, Klimawandel und migrationspolitische Debatten. Diese Entwicklungen verstärken gesellschaftliche Verunsicherung, Polarisierung und ein wachsendes Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen.

Hinzu kommt eine zunehmende digitale Verrohung: Gerade im Internet werden Menschen immer häufiger Zielscheibe von Hass, Hetze und rechtsextremen Narrativen. Dies schlägt sich auch in der Beratungspraxis nieder.

Den kompletten Jahresbericht zur Durchsicht gibt es hier

Gleichzeitig erkennt das Demokratiezentrum eine gewachsene Sensibilität in der Gesellschaft und einen gestiegenen Bekanntheitsgrad des Netzwerks, was ebenfalls zu mehr Anfragen geführt haben dürfte.

„Viele Ratsuchende wenden sich präventiv an die Beratungsstellen oder suchen Hilfe beim Aufbau lokaler Bündnisse gegen Rechtsextremismus“, erklärt Dr. Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen. Und weiter: „Die Menschen erleben hautnah, dass rechtsextremen Ideologien längst wieder im Alltag angekommen sind – und sie wollen etwas dagegen tun.“

Aktuelle Tendenzen geben Anlass zur Sorge

Die Entwicklungen setzen sich auch im laufenden Jahr 2025 fort. Bereits zwischen Januar und April 2025 wurden 112 Beratungen sowie 64 Bildungs- und Präventionsmaßnahmen durchgeführt – so viele wie noch nie zu diesem frühen Zeitpunkt in einem Kalenderjahr.

Besonders häufig wurden Vorfälle aus Schulen, Nachbarschaften und dem öffentlichen Raum gemeldet. Zudem ist auffällig, dass viele Anfragende präventiv aktiv werden möchten, etwa durch den Aufbau von lokalen Bündnissen, Netzwerken oder Initiativen gegen Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit.

Gefragt: Demokratische Infrastruktur – nicht nur Projektarbeit

Dr. Reiner Becker betont angesichts der dramatischen Fallzahlen: „Die Anforderungen an unsere Beratungsarbeit wachsen stetig – aber die Strukturen werden schwächer. Trotz des Höchststands an Anfragen war die Finanzierung unserer Arbeit noch nie so unsicher wie 2024.

„Unsere Demokratie muss gefestigt
und resilienter gemacht werden“

Becker verweist zugleich auf eine zentrale Einsicht: „Demokratie ist nie fertig – ihre Stärke liegt darin, offen, flexibel und lernfähig zu sein. Wir müssen kontinuierlich neue Formen der Anerkennung, Teilhabe und Freiheit entwickeln, gerade angesichts wachsender Bedrohungen von rechts.“

***