Bestandsbericht 2016 zu Präventionsangeboten gegen Extremismus in Hessen

Welche Initiativen und Aktivitäten gibt es in Hessen, um extremistischen Tendenzen vorzubeugen, und wo sind noch Lücken? Der Bestandsbericht 2016 über Demokratiebildung und Extremismusprävention in Hessen, den das Demokratiezentrum Hessen erstellt hat, gibt Antworten darauf.

Von Anfang April bis Ende Mai 2016 führte das Demokratiezentrum Hessen im beratungsNetzwerk hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus eine Bestandserhebung zu Angeboten der Demokratiebildung und Extremismusprävention in Hessen mittels einer Online-Umfrage durch. An der Befragung beteiligten sich insgesamt 56 Träger.

Trotz dieser eher kleinen Stichprobe bietet die Studie erste Hinweise auf die Angebotsstruktur in Hessen und ermöglicht einen Überblick über die Präventionslandschaft in Hessen. Die Ergebnisse der Bestandserhebung dienen als Grundlage, künftig Lücken im hessenweiten Portfolio in der Extremismusprävention mittels Förderungen durch das Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ schließen zu können.

Cover Studie Extremismusprävention

Die wichtigsten Ergebnisse zu den im Online-Fragebogen abgefragten Phänomenbereichen rechtsextremismus, Salafismus/Islamismus und Linksextremismus sind:

  • Für alle drei drei Phänomenbereiche gilt: Die Träger und ihre Maßnahmen sind lokal und regional gut verankert.
  • Die Angebote umfassen eine große Vielfalt von Themen. Am häufigsten werden Präventionsmaßnahmen angeboten, die sich auf die grundlegende Förderung demokratischer Einstellungen und Partizipation beziehen. Angebote für extremistisch orientierte Jugendliche und ihre Angehörigen finden sich hingegen weniger.
  • Die Zielgruppen der Präventionsangebote sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 10 und 30 Jahren. Maßnahmen für Kinder oder spezifische Maßnahmen für die Zielgruppe älterer Menschen finden sich seltener.
  • Was die Geschlechterverteilung betrifft, dominieren gemischtgeschlechtliche Gruppenangebote bei den Befragten und geschlechtssensible Angebote sind wenig vertreten.

Prävention von Rechtsextremismus:
Hier sind Maßnahmen zur Aufklärung im Bereich Rechtsextremismus und zur antirassistischen Bildung gut vertreten. Angebote zum interkulturellen Dialog und zur Gewaltprävention werden zumindest regelmäßig durchgeführt.
Präventionsangebote für Kinder und ältere Menschen über 60 Jahre, geschlechtssensible Angebote oder Maßnahmen für rechtsextrem orientierte Jugendliche und ihre Angehörigen sind hingegen selten zu finden. Weniger vorhanden sind zudem Angebote zur Bildung einer kritischen Medienkompetenz.

Prävention von Salafismus/Islamismus:
Hier gibt es vermehrt Angebote zur Förderung des interkulturellen Dialogs, und Maßnahmen zur Ausbildung einer kritischen Medienkompetenz sind im Vergleich zur Prävention von Rechtsextremismus bzw. Linksextremismus am meisten vertreten.

Prävention von Linksextremismus:
Hier findet sich keine spezifische Präventionsarbeit, sondern die befragten Träger bearbeiten den Bereich Linksextremismus mit, indem sie grundlegende Präventionsarbeit leisten, die die demokratischen Werte und die gesellschaftliche Teilhabe stärkt. Dieser Befund ist allerdings nicht als Leerstelle zu sehen, sondern entspricht der Bilanz des Bundesprogramms „Initiative Demokratie stärken“ (2011-2014), dass „der Bedarf für einen flächendeckenden Programmbereich zur Prävention von Linksextremismus im Jugendalter aktuell nicht gegeben ist“.

Aufgrund der Ergebnisse gibt der Bericht folgende Empfehlungen:

  • Bei Angeboten für extremistisch orientierte Jugendliche und ihre Angehörigen besteht ein (eingeschränkter) Ausbaubedarf
  • Die Altersgruppe der unter 10-Jährigen sollte stärker in den Blick genommen werden. Denn wissenschaftliche Befunde zur Entstehung von rechtsextremistischen Orientierungen zeigen, dass in der Kindheit die Grundlagen für spätere rechtsextremistische Orientierungen gelegt werden. Das lässt sich auch für andere extremistische Orientierungen annehmen.
  • Eine geschlechtssensible Arbeit, die auch geschlechtsgetrennte Gruppenangebote umfasst, ist sinnvoll und wünschenswert.
  • Ein weiterer Ausbau der Arbeit im Bereich der kritischen Medienbildung im Themenfeld Rechtsextremismus ist wünschenswert, da die Einbindung, Anwerbung und Meinungslenkung auch hier immer mehr durch mediale Kommunikationsmittel erfolgt. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene, die Vielnutzer von Internet und sozialen Medien sind, gilt es im Umgang mit Medienangeboten frühzeitig zu schulen. Die Bedeutung der Anwerbung und Radikalisierung über das Internet und die sozialen Medien im Themenfeld Salafismus/Islamismus wird in diesem Präventionsbereich bereits aufgegriffen; angesichts ihrer hohen Bedeutung in religiös begründeten Radikalisierungsprozessen ist eine weitere Stärkung der kritischen Medienbildung dennoch angezeigt.
  • Weiteren Angeboten zur Entwicklung von interkulturellen Kompetenzen sollte mit Blick auf die Ansprache neuer Milieus in der Einwanderungsgesellschaft künftig eine höhere Bedeutung zukommen, eine diesbezügliche Unterstützung und Förderung von entsprechenden Trägern ist daher angeraten.

DEMOKRATIEBILDUNG UND EXTREMISMUSPRÄVENTION IN HESSEN
Ergebnisse der Bestandserhebung im Frühjahr 2016
Ramona Kahl, Reiner Becker
unter Mitarbeit von Pascal Anstötz, Lucy Hentschel und Manfred Wittmeier

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